Mitteldeutsche Zeitung vom 16.10.2003



Pressebeitrag MZ
 

Bild o.r.: Typische Trauben des "Blauen Bernburgers"®.

MZ-Foto: Autor

 



Heimischer Wein

Geheimnis um "Blauen Bernburger"® auf der Spur

Namen für die hiesigen Trauben fand das Volk - Im Kontakt mit Hobbywinzern und Weinexperten


Von  BERNHARD GREMLER

Bernburg/MZ. Als der Apotheker Ludwig Bernhard Schulze im Jahre 1777 eine neue blaue Rebsorte in die Weinberge an der unteren Saale bei Bernburg brachte, gab er weder ihre Herkunft, noch ihren Namen bekannt. Bezeichnungen für diesen Wein, wie der "Gute Blaue" oder der "Blaue Bernburger"® sind keine Sortennamen, sondern Symbolbegriffe oder Gebrauchsnamen.

Wo er nun herstammt, ob es ihn anderswo auch gibt und wie sein richtiger Sortenname lautet, blieb bis heute in geheimnisvoller Weise unbekannt.

Namensfindungen

Eine Lithografie, eine Farbzeichnung, aus der Zeit um 1810 zeigt ein Stück der herzoglichen Weinberge von Bernburg mit einzelnen Rebstöcken in Nahaufnahme. Die großen Blätter, die tiefblauen Trauben, das wild-wuchernde Gerank der Jungtriebe - es ist zweifelsfrei jene Rebsorte, die auch heute noch viele Liebhaber in Stadt und Landkreis Bernburg hegen und pflegen. Als die Herzogliche Kammer zu Bernburg im Jahre 1833 die "Instruktion zur Pflege der Weinberge" herausgab, wurde dieser Wein als der "Gute Blaue" bezeichnet. Das war, weiß Gott, auch kein Sortenname. Der blieb weiterhin im Dunkeln der Herkunft verborgen. Es war eindeutig eine von den lobenswerten Eigenschaften des Rebstocks ausgehende Symbolbezeichnung. Als dann um 1900 der Weinbau zum Erliegen kam, rodeten die Weinbergbesitzer vielerorts ihre Anlagen.

Sie wollten Platz für die Pflanzung von Obstgehölzen schaffen, aber auch einem möglichen Vandalismus vorbeugen. Die vorhandenen Jungreben verkauften sie in einem letzten Geschäft an Grundstücksbesitzer und Kleingärtner. Die kamen nach Bernburg und holten sich Weinstöcke, die blaue Reben brachte. Blauen Wein aus Bernburg, den "Blauen Bernburger"® Wein. Diesen Namen also prägte das Volk.

Rückbesinnung

Für rund 100 Jahre versank der Weinbau im Landschaftsgebiet von Bernburg in den Schlaf des Vergessens. Erst in den letzten Jahren setzte eine Rückbesinnung auf die lange und beachtenswerte Tradition des Weinbaus an der unteren Saale ein. Schon im Jahre 973, nach vor der berühmten Region Naumburg-Freyburg, wurde von Kaiser Otto II. den im heutigen Landkreis Bernburg liegenden Orten Alsleben, Schackstedt und Purtin (zwischen Haus Zeitz und Schackstedt gelegen und wüst geworden) das Vorhandensein von Weinanbau bestätigt. Mit der Rebe des Guten Blauen kam ab 1777 eine Weinsorte an die untere Saale, die mit Eigenschaften wie robuste Wuchsfreudigkeit, Ertragssicherheit und Resistenz gegenüber Pilzbefall wie geschaffen war für das sichere Bestehen des Rebanbaus in dem nordisch-kühlen Klima des Bernburger Raums. Die Weinsorte hat sich bis heute gehalten auf hunderten von Standorten unserer Heimat und überzeugt und erfreut ihre Besitzer stets aufs Neue.

Der Uhudler

Inzwischen hat das Bemühen um die Wiederbelebung des Weinbaus in unserer Heimat an der unteren Saale über die Kreisgrenzen hinaus Interesse gefunden.



"Beim 'Blauen Bernburger'® könnte es sich um eine Hybride handeln."

D R.   F A D E R
W E I N K U N D L E R


So trat der hallesche Weinbauexperte Hubertus Sommerfeld mit dem Autor in Verbindung. Es kam zum Austausch von Informationen und Hubertus Sommerfeld erhielt Jungereben des "Blauen Bernburger"®. Er selbst wandte sich an Dr. Fader von der "Gesellschaft zur Geschichte des Weines e.V." in Wiesbaden. Von dort erhielt er die Auskunft, dass es sich beim "Blauen Bernburger"® um eine Hybride handeln könnte. Hybriden sind Kreuzungen zwischen europäischen und amerikanischen Edelreben, die zur Verbesserung der resistenten Eigenschaften durchgeführt wurden.

Dabei kam es jedoch auch zu Qualitätsstreuungen, so dass sich viele Hybriden gegenüber einem Überangebot vorhandener Edelsorten nicht durchsetzen konnten. Eine Hybride mit Namen "Isabella" und Ähnlichkeit in Wuchs und Frucht wie der "Blauer Bernburger"® wird geringfügig in der Schweiz und in Österreich angebaut. In Österreich, hier beträgt die Anbaufläche immerhin 400 Hektar, heißt die Isabella-Rebe urig-volkstümlich "Uhudler". Die dortigen Weinbauern tranken und trinken den Isabella-Wein gern als Haustrunk. Oft kamen sie vom Winzerstammtisch dermaßen angeheitert nach Hause, dass ihre Frauen entsetzt ausriefen: "Ihr seht ja aus wie Uhus und hudelt nur dummes Zeug!". So prägte wieder einmal das Volk die Entstehung des Namens.

Der vollständige Beitrag von Hubertus Sommerfeld erscheint im Heft 111 von "Bernburger Bär - Zeitschrift für Heimat und Mundart."

82 Grad Oechsle

Die voraussichtliche Qualität eines Weines kann schon an der Traube, an der Beere, mit Hilfe der so genannten "Mostwaage" ermittelt werden. Diese Vorrichtung ist eine Erfindung des Goldschmiedes Christian Ferdinand Oechsle (1774-1852). Der wackere Schwabe entwickelte also ein Messgerät, mit dem der Gehalt des Mostes an Zucker und Mineralstoffen festgestellt werden kann.

Als Maßeinheit wurde zu Ehren des Erfinders das "Grad Oechsle", kurz "°Oe", festgelegt. Qualitätsweine müssen schon im Mostgewicht über 65° Oe liegen. So gelten zum Beispiel für den Riesling Oechslegrade ab 76, für Rotweine ab 80 als erforderliches Qualitätsmerkmal. Im berühmten deutschen Rotweinanbaugebiet an der Ahr werden Mostgewichte um 85 Grad Oechsle erreicht.

Die Ausbeute im Jahr 2003 in der neuen Weinstraße "Mansfelder Seen" betrug bis zu 78° Oe, ein Ergebnis, das die Weinbauern in Zappendorf und Höhnstedt mit berechtigtem Stolz erfüllt. Welches Ergebnis würde der "Blaue Bernburger"® bringen?

Der Autor hatte Gelegenheit über den bereits erwähnten Weinbauexperten Hubertus Sommerfeld das Mostgewicht seiner Rebstöcke des "Blauen Bernburger"® Weins, Jahrgang 2003, feststellen zu lassen. Im Ergebnis der Kleinprobe, mehr konnte es diesmal nicht sein, wurden 82 Grad Oechsle ermittelt, ein Wert, der eher nach unten abgerundet wurde. Nach Aussagen von Hubertus Sommerfeld ist dieses Ergebnis ein ganz hervorragendes in Anbetracht der "nordischen" Landschaftslage des Bernburger Gebietes an der unteres Saale.

Das Kelterprodukt des Uhudler besitzt in puncto Weinseligkeit also bemerkenswerte Qualitäten. Wäre Ähnliches vom "Blauen Bernburger"® nicht auch zu erwarten? Doch ganz gleich, ob Uhudler und "Blauer Bernburger"® etwas miteinander zu tun haben, was wohl nur eine Gen-Analyse klären könnte, uns haben die Altvorderen diese Weinsorte hinterlassen. Am 52. Grad Nördlicher Breite gibt es kaum eine andere Rebsorte, die so dankbar und so zuverlässig sprießt und fruchtet.

Der "Blaue Bernburger"® ist eine Heimatrebe. Sollte sich der Schleier ihrer Herkunft endgültig lüften, um so besser für die Weinbaufreunde.

Info

Aufgrund des Beitrages in der Mitteldeutschen Zeitung vom 24. September erhielt der Autor zwei Dutzend Anrufe von Weinbaufreunden. Dafür sei allen herzlich gedankt.